Drasta

Digital

Sorbische Trachten sind nahezu aus dem Alltag der Lausitz verschwunden. Das Projekt “Drasta Digital” widmet sich der Wahrung und Vermittlung des materiellen und immateriellen Kulturerbes sorbischer Trachtenelemente. Das Projekt ist eine Kooperation mit dem 3D Mode-Artist Jan Lorenz, dem Verein zur Pflege der Regionalkultur der Mittleren Lausitz e.V. und der Stiftung für das sorbische Volk.

Kirsten Ann Böhme, Digitalisierung, Trachtenexpertin 

Jan Lorenz, Digitalisierung, 3D Modelling

Jakob Gruhl, Projektleitung

Karoline Schneider, Kuration

Rahel Selnak, Assistenz

Partner: Verein zur Pflege der Regionalkultur der Mittleren Lausitz e.V., Stiftung für das sorbische Volk, Simulmitmachfonds

2022 - 2023

ImageImageImage
Image

Ausgangspunkt

Sorbische Trachten sind nahezu aus dem Alltag der Lausitz verschwunden. Das Projekt “Drasta Digital” widmet sich der Wahrung des materiellen und immateriellen Kulturerbes sorbischer Trachtenelemente, ihrer Alltagsgeschichte, Herstellung, Ankleidung und Anwendung. Ausgehend vom Fundus des Trachtenhaus Hoyerswerda und seiner fast 100 jährigen Tradition, überführt die 5. Generation an Schneiderinnen ihre Handwerkskunst nun in das 21. Jahrhundert. Die Trachten sollen wieder an Sichtbarkeit im Alltag gewinnen, insbesondere im digitalen Alltag. Auf diesem Wege sollen neue Generationen an tradiertes Wissen herangeführt werden. Gleichzeitig entstehen neue Räume für Kommunikation und den Austausch von Wissen und Erfahrung über Generationen hinweg. 

 

 

Eine komplette Tracht einer Trägerin umfasst mehr als 60 Elemente (eine so genannte komplette Trachtentruhe). Die Trägerin ist damit von jung bis alt für jede Situation vorbereitet [sic] - ein Leben lang. Dieses Konzept von Kleidung ist im Zeitalter der weltweiten Textilindustrie nicht mehr vorgesehen. Es beinhaltet ein Verständnis von Nachhaltigkeit, welches zunehmend zum Anknüpfungspunkt für junge Menschen wird. Sie entdecken die alten Techniken wieder, greifen sie auf und setzen sie bewusst ein. Gleichzeitig kommuniziert die jeweilige Tracht wichtige Informationen über die persönliche Situation auf einer nonverbalen Ebene und kann unverhoffte Reaktionen hervorrufen. Heute führen wir an den gleichen Orten Diskussionen zum Tragen von Kopftüchern, wo Mitte des 20. Jahrhunderts Frauen in sorbischer Tracht von Deutschen ausgelacht und diskriminiert wurden.

Ausgangspunkt des Projekts ist eine Digitalisierung und Dokumentation von Trachtenteilen in hoch aufgelösten 3D Formaten mit den originalen Texturen. Der Prozess gleicht dem Charakter-Design moderner Computerspiele und CGI. Der Workflow diese zu erstellen, wurde initiiert und ausgearbeitet durch eine Kooperation des Vereins zur Pflege der Regionalkultur der mittleren Lausitz e.V., dem sorbischen Museologen und Creative-Tech-Gründer Jakob Gruhl sowie dem sorbischen 3D- und Modedesigner Jan Lorenz. Gemeinsam wurde die erste Hoyerswerdaer Tracht unter strenger Begutachtung unserer Expertinnen komplett digitalisiert. Die Qualität der Renderings ist so hoch, dass selbst von den ausgewiesenen Schneider:innen kaum ein Unterschied zu den Fotografien der Originale auszumachen ist.

Digitalisierung & Vermittlung

Eine sorbische Tracht ist ein Grenzobjekt. Sie bringt unterschiedlichste Akteur:innen zusammen, die sich um ihren materiellen Erhalt und das breite immaterielle Wissen bemühen. Die Tracht ist oft ihre einzige Verbindung und ein hoch emotionales Thema. Für die meisten Menschen und auch viele Sorb:innen repräsentieren Trachtenträger:innen schlicht das sichtbare Sorbentum. Doch diese oberflächliche Betrachtung verbirgt das komplexe System an Elementen und ihrer Herstellung, ihr Material, ihre Anwendung und Codes. Ihre religiöse Zeichenhaftigkeit, die Informationen zu Zyklus und Lebensphasen, die sie transportiert, stehen oft in Widerspruch zu heutigen Lebensrealitäten. Jedoch identifizieren sich junge Generationen dennoch mit der Ästhetik und interessieren sich für das Handwerk. Es besteht ein Bedürfnis nach einer nachhaltigen Weitergabe des Wissens über Zeichen, Material und Herstellung.

Wir haben das Konzept so genannter Digitalisierungswerkstätten entwickelt. Die Tracht in den digitalen Raum zu überführen, in einer partizipativen Werkstatt und Installation, greift die verschiedenen thematischen Anknüpfungspunkte auf und bringt Menschen über Generationen hinweg im Prozess zusammen. Digitalisierung wird auf konkrete Weise erfahrbar und differenzierbar, wenn Menschen selbst Trachtenelemente mitbringen, sie vor Ort einscannen und ggf. später in einer Ausstellung oder einem Web-Interface auf dem eigenen Smartphone betrachten können. Es entsteht ein Raum zur Reflexion, zum Austausch von Wissen und Erinnerungen.  Gleichzeitig entsteht etwas neues, ein 3D Objekt eines vererbten Tuches, das fortan digital getragen werden kann. Ein bewahrendes Interesse geht einher mit der Freude am Experimentieren. Dabei richten sich die Werkstätten nach Standards, welches das digitalisierte Material fortan als Open Source Material für andere kulturell und soziokulturell verfügbar macht.

Ziel ist die Sichtbarkeit und Vermittlung von materiellen und immateriellem kulturellen Erbe im Kontext sich wandelnder Bedürfnisse unterschiedlicher Generationen am Grenzobjekt Tracht. Digitalisierung soll gemeinsam erfahrbar und Teilhabe an der Bewahrung des kulturellen Erbes geschaffen werden. Gleichzeitig wird das Ziel verfolgt das digitalisierte Material nachhaltig nutzbar zu machen und agiert daher anhand der Vorgaben des sorbischen Instituts sowie im Kontext von Open Source Guidelines. Es soll ein Austausch von Wissen über alte und neue Technologien, nachhaltige Produktions- und Konsumweisen entstehen. Ebenso sind die Werkstätten ein Raum für transkulturellen Dialog und die Frage nach dem Umgang mit Identität, kulturellem, sozialen und kollektiven Gedächtnis. Ziel ist es, Formate zu entwickeln, die parallel zur Digitalisierung diese Ebenen wiedergeben. Die Installation soll über die Werkstätten hinweg wachsen und ihren modularer Charakter Raum zur Erweiterung geben, um die Digitalisierungswerkstätten nachhaltig weiterzuführen und als solche installativ partizipativ erfahrbar zu machen.